Lenins 100. Todestag

Stalins Würdigung an Wladimir Iljitsch Uljanow

Lenin, bürgerlich Wladimir Iljitsch Uljanow, geboren am 22. April 1870, gestorben vor genau 100 Jahren am 21. Januar 1924, Klassiker des Marxismus-Leni­nismus, genialer Führer und Vordenker der Arbeiterklasse wie aller Werktätigen, Theoretiker und Revolutionär, Be­gründer der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), ein Kommunist. 
Schon während seines Jurastudiums (1887) lernte Lenin den Marxismus kennen und wurde überzeugter Revolutionär. Nach externer Ablegung des juristischen Staatsexamens 1891 wandte er sich ganz der revolu­tionären Arbeit zu. 1892 übersiedelte er nach Petrograd (heute Leningrad), wo er Anführer der Marxisten und der russischen Arbeiterbewegung wurde.

Es lohnt sich immer wieder, von Lenin und über Lenin zu lesen. Um so mehr, als dies von einem berichtet wird, der Lenin so gut kannte wie kaum ein anderer: Generalissimus Iosef Wissarionowitsch Stalin. Lenin ist, auch für uns heute, nicht nur wegen seiner umfangreichen wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern auch wegen seines hohen staatsmännischen Geschicks, seiner Prinzipientreue, seiner Aufrichtigkeit und nicht zuletzt wegen seiner Liebe zum einfachen Volk ein leuchtendes Vorbild. Dasselbe kann man auch von Generalissimus Stalin sagen. 

In seiner Rede auf einem Gedenkabend der Kremlkursanten am 28. Januar 1924, vor Tage nach Lenins Tod, charakterisierte Iosef Wissarionowitsch Stalin die Eigenschaften Lenins folgender Maßen:
,,Es gilt als ausgemacht, dass ein „großer Mann“ sich gewöhnlich zu den Versammlungen verspätet, so dass die Versammlungsteilnehmer klopfenden Herzens auf sein Erscheinen warten, wobei vor dem Erscheinen des „großen Mannes“ ein Raunen durch die Reihen der Versammlungsteilnehmer geht: „Pst…Ruhe… er kommt.“ Diese Zeremonie schien mir nicht überflüssig, denn sie imponiert, flößt Achtung ein. Wie groß war aber meine Enttäuschung, als ich erfuhr, dass Lenin schon vor den Delegierten zur Versammlung gekommen war und in irgendeiner Ecke schlicht und einfach ein Gespräch führte, ein ganz gewöhnliches Gespräch mit ganz gewöhnlichen Konferenzdelegierten. Ich verhehle nicht, dass mir dies damals als eine gewisse Verletzung gewisser notwendiger Regeln erschien. Erst später begriff ich, dass diese Schlichtheit und Bescheidenheit Lenins, dieses Bestreben, unbemerkt zu bleiben oder jedenfalls nicht aufzufallen und seine hohe Stellung nicht hervorzukehren – dass dieser Zug eine der stärksten Seiten Lenins ist, dieses neuen Führers neuer Massen, der einfachen und gewöhnlichen Massen der „untersten“ Schichten der Menschheit.

Ausgezeichnet waren zwei Reden Lenins, die er auf dieser Konferenz (1905 in Tammersfort/Finnland) hielt: über die gegenwärtige Lage und über die Agrarfrage. Leider sind sie nicht erhalten geblieben. Es waren zündende Reden, die die ganze Konferenz in stürmische Begeisterung versetzten. Die ungewöhnliche Überzeugungskraft, die Einfachheit und Klarheit der Beweisführung, die kurzen und allgemeinverständlichen Sätze, das Fehlen jeder Pose, das Fehlen aller auf Eindruck berechneten schwindelerregenden Gesten und effektvollen Phrasen – all das unterschied Lenins Reden vorteilhaft von den Reden gewöhnlicher „Parlamentsredner“. Aber mich fesselte damals nicht diese Seite der Reden Lenins. Mich fesselte jene unüberwindliche Kraft der Logik in Lenins Reden, die zwar ein wenig trocken ist, dafür aber die Zuhörerschaft völlig in ihren Bann zieht, sie allmählich elektrisiert und sie dann, wie man zu sagen pflegt, restlos gefangen nimmt. (…) Ich glaube, dass diese Besonderheit der Reden Lenins die stärkste Seite seiner Rednerkunst ist.

Ich entsinne mich, wie wir bolschewistischen Delegierten, eng zusammengedrängt, auf Lenin blickten und ihn um Rat fragten. Die Äußerungen mancher Delegierten verrieten Müdigkeit, Niedergeschlagenheit. Ich erinnere mich, wie Lenin als Antwort auf solche Reden bissig durch die Zähne hervorstieß: „Lamentieren Sie nicht, Genossen, wir werden sicher siegen, denn wir haben recht.“ Hass gegen lamentierende Intellektuelle, Glauben an die eigenen Kräfte, Glauben an den Sieg – darüber sprach damals Lenin mit uns. Man fühlte, die Niederlage der Bolschewiki ist nur vorübergehend, die Bolschewiki müssen in nächster Zukunft siegen. „Nicht lamentieren im Fall einer Niederlage“ – das ist gerade jene Besonderheit in Lenins Wirken, die ihm half, eine grenzenlos ergebene und auf ihre Kräfte vertrauende Armee um sich zusammenzuschweißen.

Der Sieg pflegt manchen Führern zu Kopf zu steigen, sie hochmütig und überheblich zu machen. Meist beginnen sie in solchen Fällen den Sieg zu feiern, auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Lenin aber glich solchen Führern nicht im geringsten. Im Gegenteil, gerade nach dem Sieg wurde er besonders wachsam und vorsichtig. Ich erinnere mich, wie Lenin damals den Delegierten nachdrücklich auseinandersetzte: „Erstens darf man sich vom Sieg nicht berauschen lassen und überheblich werden, zweitens muss man den Sieg verankern; drittens muss man den Gegner vernichten, denn er ist nur geschlagen, aber bei weitem noch nicht vernichtet.“ Mit beißendem Spott überschüttete er die Delegierten, die leichtsinnig versicherten: „Von nun an ist es aus mit den Menschewiki.“ Es war ihm ein leichtes zu beweisen, dass die Menschewiki noch immer in der Arbeiterbewegung wurzeln haben, dass man sie geschickt bekämpfen muss, wobei man die Überschätzung der eigenen Kräfte und besonders die Unterschätzung der Kräfte des Gegners auf jede Weise zu vermeiden hat. 

Parteiführer müssen die Meinung der Mehrheit ihrer Partei achten. Die Mehrheit ist eine Macht, mit der der Führer rechnen muss. Lenin verstand das nicht schlechter als jeder andere Parteiführer. Aber Lenin wurde niemals zum Gefangenen der Mehrheit, besonders, wenn diese Mehrheit keine prinzipielle Basis hatte. Es gab Momente in der Geschichte unserer Partei, da die Meinung der Mehrheit oder die Augenblicksinteressen der Partei mit den Grundinteressen des Proletariats in Konflikt gerieten. In solchen Fällen trat Lenin ohne Bedenken entschlossen für die Prinzipientreue ein und wandte sich gegen die Mehrheit der Partei. Mehr noch, er scheute sich nicht, in solchen Fällen buchstäblich einer gegen alle aufzutreten, wobei er davon ausging – wie er oft sagte –, dass „prinzipienfeste Politik die einzig richtige Politik ist“.

Theoretiker und Parteiführer, die die Geschichte der Völker kennen, die die Geschichte der Revolutionen von Anfang bis Ende studiert haben, sind zuweilen von einer peinlichen Krankheit befallen. Diese Krankheit heißt Scheu vor den Massen, Unglaube an die schöpferischen Fähigkeiten der Massen. Auf diesem Boden entsteht manchmal ein gewisser Aristokratismus der Führer den Massen gegenüber, die zwar in der Geschichte der Revolutionen nicht bewandert, aber berufen sind, das Alte niederzureißen und das Neue aufzubauen. Die Furcht, dass das spontane Element entfesselt werden könnte, dass die Massen „allzu viel zerstören“ könnten, der Wunsch, die Rolle eines Schulmeisters zu spielen, der die Massen nach Büchern zu lehren sucht, aber nicht von den Massen lernen will – das ist die Grundlage dieser Art von Aristokratismus.

Lenin war das gerade Gegenteil solcher Führer. Ich kenne keinen anderen Revolutionär, der so fest an die schöpferischen Kräfte des Proletariats und an die revolutionäre Zweckmäßigkeit des proletarischen Klasseninstinkts geglaubt hätte wie Lenin. Ich kenne keinen anderen Revolutionär, der so schonungslos die selbstgefälligen Kritiker des „Chaos der Revolution“ (…) zu geißeln verstanden hätte wie Lenin. Ich erinnere mich, wie Lenin während eines Gesprächs auf die Äußerung eines Genossen, dass „nach der Revolution die normale Ordnung wiederhergestellt werden muss“, sarkastisch bemerkte: „Es ist schlimm, wenn Menschen, die Revolutionäre sein wollen, vergessen, dass die normalste Ordnung in der Geschichte die Ordnung der Revolution ist.“

Daher Lenins Geringschätzung gegen alle diejenigen, die auf die Massen von oben herabsahen und sie nach Büchern lehren wollten. Daher Lenins unermüdliche Mahnung: Von den Massen lernen, den Sinn ihres Handelns erfassen, die praktische Erfahrung des Kampfes der Massen sorgfältig studieren. Glaube an die schöpferischen Kräfte der Massen – das ist gerade jene Besonderheit im Wirken Lenins, die es ihm ermöglichte, das Walten des spontanen Elements zu erfassen und seine Bewegung in die Bahn der proletarischen Revolution zu leiten. (…)"
aus:
J. Stalin, Werke, Dietz Verlag Berlin, 1952, Bd.6, S.47-57

Lenin mag vor 100 Jahren verstorben sein, doch sein Erbe lebt weiter. Es ist an uns seine Vision des Kommunismus umzusetzen.
von ASKL