Der Anfang allen Übels für die Ukraine
Vor genau zehn Jahren begann der als "Euromaidan" beschönigte prowestliche Staatsstreich in der Ukraine.
Im August 2013 bildeten sich an der ukrainisch-russischen Grenze lange LKW-Staus. Lebensmittel verdarben in der Sommerhitze. Offizielle Begründung für die Verzögerungen von russischer Seite: ein Testlauf für die Zollkontrollen, die eingeführt werden sollten, sobald die Ukraine das damals im Raum stehende Assoziierungsabkommen mit der EU abgeschlossen haben würde. Die Botschaft Moskaus war klar: der Regierung des damaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch zu demonstrieren, was auf die ukrainische Exportwirtschaft zukommen würde, wenn Kiew den Pakt mit Brüssel unterzeichnen sollte.
Hintergrund der Spannungen war die sogenannte "Östliche Nachbarschaftspolitik" der Europäischen Union. Sie war ein Instrument, das sich die EU 2008 ausgedacht hatte, um die Staaten jenseits ihrer Ostgrenze von Aserbaidschan bis zur Ukraine der russischen Einflusszone zu entziehen. Das Mittel: die Übernahme des sogenannten "acquis communautaire" – der gesamten Rechtsordnung der EU bis hin zu technischen Normen für Schrauben und Dübel – durch die sogenannten Partnerländer. Das Ziel: politisch die Schaffung genau dessen, was die EU Russland seit dem Ende der Sowjetunion als Anspruch absprach: ein "nahes Ausland"; einschließlich der Einbeziehung des Militärs der Partnerländer in sogenannte EU-Friedensmissionen und des Rechts zur Einmischung in deren innere Angelegenheiten. Am ukrainischen Beispiel bedeutete dies den Versuch der damaligen Bundesregierung, die "europäische Integration" der Ukraine davon abhängig zu machen, dass die ukrainische Justiz die innenpolitische Hauptgegnerin von Wiktor Janukowitsch, Julia Timoschenko, aus der Haft entließ. Timoschenko hatte es geschafft, sich der CDU-geleiteten "Europäischen Volkspartei" als Partnerin anzudienen. Für diese Bestrebungen erfand die staatsnahe Politologie den Begriff der "Integrationskonkurrenz".
In der Zwischenzeit lockte Russland die Ukraine mit der Aussicht auf einen Beitritt zur russisch präsidierten Eurasischen Freihandelszone und dem zollfreien Zugang ihrer Industrie zu einem Großteil des postsowjetischen Absatzmarktes. Wiktor Janukowitsch versuchte in traditionell ukrainischer Manier, zwischen beiden Lagern zu lavieren und auszuhandeln, dass sein Land in beiden Wirtschaftszonen Mitglied sein dürfte. Die EU lehnte brüsk ab: Kiew müsse sich entscheiden. Und Janukowitsch entschied sich: beim EU-Gipfel im litauischen Vilnius im November 2013 forderte er zunächst eine Verschiebung der Frist, um noch ein Abkommen über eine Finanzspritze von Russland unter Dach und Fach bringen zu können. Und als ihm dies verweigert wurde, weigerte er sich, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen.
Hierauf reagierte der ukrainische Onlinejournalist und Mitarbeiter des mit US-Geld gegründeten Nachrichtenportals "Ukrainska Pravda", Mustafa Najem, mit einem Facebook-Posting: ,,Ich gehe heute auf den Maidan. Wer kommt mit?" Aber die Legende über den spontanen Aufstand der proeuropäischen ukrainischen Zivilgesellschaft ist im besten Fall die eine Seite der Medaille. Offenkundig waren die Proteste von langer Hand vorbereitet worden. Seit September 2013 war ein Onlinefernsehsender namens Hromadske telebatschennja (zu deutsch Bürgerfernsehen) sendebereit – finanziert wurde er von allerhand Stiftungen vor allem aus den USA und den Niederlanden. Pünktlich zum Beginn der Proteste ging Hromadske auf Sendung und übertrug die Versammlungen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz live und rund um die Uhr.
Die Besetzung öffentlicher Räume war in der Ukraine seit den Protesten des nationalistischen Milieus gegen die Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrags durch die Ukraine in der Endphase der Sowjetunion eine eingeübte Technik. Veteranen dieser Proteste saßen im Beirat von Hromadske und setzten unter anderem durch, dass Ukrainisch einzige Sendesprache sein sollte – was eine Stoßrichtung gegen den russischsprachigen Bevölkerungsteil implizierte. Und schon wenige Tage nach dem Beginn der Proteste in der Kiewer Innenstadt schlossen sich auf dem Maidan diverse rechtsextreme Wehrsportgruppen zu einer Dachorganisation namens "Rechter Sektor" zusammen und veranstalteten vormilitärische Trainings.
Etwa eine Woche lang schaute die Polizei dem Treiben tatenlos zu. Dann versuchte sie eine Räumung, gab diese aber auf halbem Wege auf – mit dem Ergebnis, dass das operative Ziel nicht erreicht wurde, aber doch einige Dutzend Demonstranten verletzt worden waren. Rituelle Opfer, die der weiteren Radikalisierung der protestierenden Menge Vorschub leisteten. Es begann die Zeit des kollektiven Hüpfens gegen die Kälte unter dem Slogan »Wer nicht mithüpft, ist Moskowiter«. Parallel dazu wurden linke, gewerkschaftliche und feministische Gruppen, die ebenfalls ihr Hühnchen mit dem Janukowitsch-Regime rupfen wollten und sich der Bewegung anfangs angeschlossen hatten, von dem vom »Rechten Sektor« kontrollierten Ordnungsdienst des "Euromaidans" vom Unabhängigkeitsplatz geprügelt. Es entstand eine Atmosphäre ähnlich der in den von deutschen Faschisten zeitweise angestrebten "national befreiten Zonen" – geschlossen nach innen, aggressiv gegen alle Andersdenkenden.
Über den Jahreswechsel schien die Bewegung gleichwohl einzuschlafen: Die Zahl der auf dem Maidan Kampierenden ging deutlich zurück. Die Taktik der Regierung, die Proteste auszusitzen, schien aufzugehen. Bis Mitte Januar 2014 die Militanten einen Zacken zulegten, ihre Barrikaden ausdehnten und begannen, die das Regierungsviertel schützende Polizei mit Waffen und Brandsätzen anzugreifen. Dabei wurden teilweise auch Molotowcocktails mit Beimischung von Phosphor verwendet. Als die Regierung daraufhin versuchte, das Demonstrationsrecht an BRD-Standards anzupassen und die Bewaffnung und Vermummung auf Demonstrationen zu verbieten, wurde ihr das in großen Teilen der westlichen Öffentlichkeit als Knebelung der Demokratie ausgelegt. In der Provinz begannen parallel dazu nationalistische Kampftrupps, Polizeiwachen und Kasernen zu stürmen, um sich der dort gelagerten Waffen zu bemächtigen. Im Westen der Ukraine gelang dies ohne größeren Widerstand, weil die Regierung Janukowitsch dort erstens unbeliebt war und sie zweitens im Offizierskorps durch ihr Zaudern bei der Unterdrückung des Widerstands Zweifel an ihrer Entschlossenheit geweckt hatte.
Während sich die Atmosphäre auf dem Maidan von Tag zu Tag radikalisierte und zuspitzte, setzte der Westen zur direkten Einmischung an. Es reichte nicht mehr, sich als Politiker auf dem Maidan mit den vermummten Faschistenfotografieren zu lassen. Mitte Februar traf eine dreiköpfige Verhandlungsdelegation der EU in Kiew ein und nötigte Präsident Janukowitsch, den Demonstranten einen vorzeitigen Rücktritt als Bedingung für ein Ende der Gewalt anzubieten. Aber die EU-Verhandlungsinitiative wurde – unter anderem unter Vermittlung der USA, die laut ihrer Vizeaußenministerin Victoria Nuland auf die EU ,,scheißen" und die Führer des Maidan durch Anrufe aus der Botschaft im Halbstundentakt dirigierten – von den Faschisten mit ihrer Militanz auf der Straße sabotiert.
Am 19. Februar stürmten rechtsextreme Kampftrupps das Regierungsviertel. Dabei wurden durch Schüsse, deren Urheberschaft bis heute nicht geklärt worden ist, Dutzende der Angreifer, aber auch mehrere Polizisten getötet. Einiges deutet darauf hin, dass das Feuer aus dem Rücken der angreifenden Demonstranten, also von der Maidan-Seite, eröffnet wurde. Das Ergebnis war die Flucht Janukowitschs aus Kiew und die Machtübernahme der rechten Junta um Arkadij Jazenjuk, Witali Klitschko und Oleg Tjagnibok von der faschistischen Swoboda-Partei. Der Rest ist Geschichte. Den fünf Milliarden Dollar, welche die USA laut Victoria Nuland im Vorfeld des Maidan für die "Demokratieförderung" in der Ukraine ausgegeben hatten, mussten sie inzwischen ein Vielfaches nachschießen. Aber das politische Ziel war erreicht: die Ukraine aus einem politisch ambivalenten Staatswesen in ein antirussisches Bollwerk zu verwandeln.
Aus den Ereignissen des Maidan-Putschs entwickelte sich zunächst ein acht Jahre andauernder Bürgerkrieg im Osten der Ukraine, insbesondere im Donbass, wo die Bevölkerung permanent unter Beschuss des Kiewer-Regimes drangsaliert wurde. Um dem ein Ende zusetzen begann am 24. Februar 2022 die russische militärische Sonderoperation mit dem Ziel die Volksrepubliken Donezk und Lugansk zu befreien und das gesamte Gebiet der Süd- und Ostukraine zu befrieden.
von ASKL