Bandera, die OUN und die ukrainische Gesellschaft
Kaum eine Person polarisiert im Zusammenhang mit der Ukraine sosehr wie Stepan Bandera. Für die einen ist er ein Nationalheld, für die anderen ist er ein Kriegsverbrecher. Im Westen und insbesondere ausgerechnet in Deutschland wird die Mär vom patriotischen Nationalhelden gerne geglaubt und sogar verteidigt. Wenn man sich jedoch die Fakten anschaut, kann man eigentlich nur zu einem Schluss kommen:
Stepan Bandera war ein bekennender Nationalsozialist, Antisemit, Kollaborateur des deutschen Faschismus, ein Obersturmführer der SS und Offizier der faschistisch-deutschen Abwehr. Er ist verantwortlich für das Wolhynische Massaker, das Massaker von Babi Jar, den Massenmord an jüdischen, polnischen und ukrainischen Einwohnern und die Vernichtung des Dorfer Chatyn und weiterer Dörfer in Weißrussland.
Daran gibt es nichts zu beschönigen und nichts zu erklären. Bandera war ein Faschist! Und es gibt weder einen Mythos noch irgendeine Legende, die das Märchen des tapferen Nationalhelden rechtfertigen könnte. Diese Verklärung ist eine Verhöhnung der Opfer des faschistischen Terrors in Polen und in der Sowjetunion.
Zu den Fakten:
Also, wer war Stepan Bandera? Er wurde im Dorf Staryj Ugryniw im Alt-Kalugaer Landkreis des Stanislawer Gebiets (Galizien), im damaligen Österreich-Ungarn (das heute zum Gebiet Iwano-Frankowsk in der Ukraine gehört), in der Familie des griechisch-katholischen Gemeindepfarrers Andrej Bandera geboren, der seine theologische Ausbildung an der Lwower Universität erhielt. Schon als Kind war er Mitgleid der ukrainischen Pfadfinderorganisation „Plast“ geworden, und wenig später trat er der Ukrainischen Militärorganisation (UMO) bei.
In den 20er Jahren leitete Bandera die äußerst radikale „Jugendgruppe“ der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN). Schon zu dieser Zeit waren seine Hände mit ukrainischem Blut befleckt: Auf seine Anweisung wurden der Dorfschmied Michail Belezki, der Professor der Philologie des Lwower ukrainischen Gymnasiums Iwan Babi, der Student der Universität Jakob Batschinski und andere ermordet.
Zu dieser Zeit stellte die OUN enge Kontakte zu Deutschland her, zudem wurde ihr ständiges Stabsquartier nach Berlin, Hauptstraße 11, verlegt – unter der Bezeichnung „Bund ukrainischer Hauptfeldwebel in Deutschland“. Und Bandera selbst absolvierte in Danzig eine Agentenausbildung. Im Jahre 1936 wurde auf Befehl von Stepan Bandera in Lwow der Mitarbeiter des sowjetischen Konsulats Alexej Majlow ermordet. Kurz vor der Ermordung durch die OUN war der Resident des deutschen Geheimdienstes in Polen, Major Knauer, aufgetaucht, der faktisch der Instrukteur Banderas war.
Eine sehr wichtige Tatsache – als in Deutschland im Januar 1934 Hitler an die Macht kam, wurde das Berliner Stabsquartier der OUN mit den Rechten einer „Sonderabteilung“ in den Stab der Gestapo aufgenommen. In einem Vorort von Berlin, in Wilhelmsdorf, wurden aus Mitteln des deutschen Geheimdienstes Kasernen errichtet, wo auch die Soldaten der OUN und ihre Offiziere ausgebildet wurden. In dieser Zeit trat auch der polnische Innenminister General Bronisław Pieracki mit einer heftigen Missbilligung der Pläne Deutschlands zur Besetzung Danzigs auf, die nach den Festlegungen des Versailler Friedensvertrages zu einer „Freien Stadt“ unter der Leitung des Völkerbunds erklärt worden war. Hitler selbst hatte Richard Jary, den deutschen Geheimdienstagenten, der die OUN betreute, angewiesen, Pieracki zu beseitigen. Am 15. Juni 1934 wurde Pieracki dann von den Leuten Stepan Banderas ermordet, aber diesmal konnten die Nationalisten nicht entkommen. Sie wurden gefaßt und verurteilt. Für den Mord an Bronisław Pieracki wurden Stepan Bandera, Nikolaj Lebed und Jaroslaw Karpinez vom Warschauer Kreisgericht zum Tode verurteilt. Die übrigen, darunter auch Roman Schuchewitsch, wurden zu erheblichen Haftstrafen verurteilt.
Im Sommer 1936 wurden Stepan Bandera und andere Mitglieder der Landesexekutive der OUN vom Gericht in Lwow wegen der Durchführung terroristischer Handlungen angeklagt. Das Gericht verhandelte wegen Mordes u.a. auch gegen die Mitglieder der OUN Iwan Babij und Jakob Batschinski. Und so wurde Stepan Bandera sowohl vom Warschauer Gericht, als auch vom Lwower Gericht zu sieben Mal lebenslänglicher Halt verurteilt. Im September 1939, nachdem Polen von Deutschland okkupiert worden war, wurde Stepan Bandera freigelassen, und er begann aktiv mit der Abwehr, dem deutschen Militärgeheimdienst, zusammenzuarbeiten.
Am 14. August 1941 wurde in Berlin ein „Memorandum OUN-B (Bandera)“ (über die Bedingungen der Zusammenarbeit der OUN mit Hitlerdeutschland) unterschrieben (OUN - Organisation Ukrainischer Nationalisten). Insgesamt wurden während der deutschen Okkupation in der Ukraine 5,3 Millionen Menschen der friedlichen Bevölkerung ermordet, und darüber hinaus noch 2,3 Millionen arbeitsfähige Bewohner zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert.
Die Anhänger Banderas (Banderowzy) bemühten sich, bei der Zahl der Toten nicht hinter ihren angeblichen „Feinden“ (den Deutschen) zurückzustehen — von den Händen der Banderowzy wurden durch solche Strafaktionen wie in Chatyn oder wie bei dem Wolhynischen Massaker fast 2 Millionen Menschen ermordet, wobei weder Frauen, noch Kinder, noch Greise verschont blieben. Zur Veranschaulichung — siehe die Fotografien der Greueltaten der Banderowzy in Wolhynien und in Lwow.
Sogar die deutschen Nazis waren so stark sind von den Greueltaten OUN beeindruckt, dass sie Bandera bald verhafteten und ins Konzentrationslager Sachsenhausen brachen. Jedoch wurde Bandera nicht hingerichtet, sondern eine spätere Verwendung geschont, um die OUN später anzuführen.
Insgesamt wurden durch Strafaktionen und bei Überfällen durch Angehörige der Strafkommandos der OUN getötet:
850.000 Juden;
220.000 Polen;
400.000 sowjetischer Kriegsgefangene;
500.000 friedlicher Ukrainer;
20.000 Soldaten und Offiziere der Sowjetischen Armee und der Rechtsschutzorgane;
4.00-5.000 Anhänger der OUN wegen ungenügender Grausamkeit und unterentwickeltem nationale Selbstbewusstsein.
Die deutsche Organisation, die mit der OUN-UPA zusammenarbeitete, die Waffen-SS, wurde als verbrecherisch verurteilt. Außerdem ist anzumerken, dass der Nürnberger Prozess nur für die Verurteilung der Verbrechen der Nazis zuständig war, nicht aber für deren Kollaborateure. Wenn der Nürnberger Prozess auch die Verbrechen der Kollaborateure im Dienst des Dritten Reiches betrachtet hätte, so wären als Figuranten dieser Prozesse nicht nur die OUN-UPA, sondern auch Russischen Befreiungsarmee (Русская освободительная армия – РОА), die Kosaken Pjotr Krasnows, das Regime Vichys und die übrigen mit den Nazis zusammenarbeitenden nationalen Vereinigungen, Armeen und Regimes in Betracht gekommen. Tatsächlich gab es nicht dergleichen — zum Beispiel wurde der Führer des Vichy-Regimes Phillip Petain vom Obersten Gericht Frankreichs verurteilt.
Ein unwiderleglicher Beweis für die Zusammenarbeit Stepan Banderas mit den Nazis ist das Stenogramm des Verhörs des Abteilungsleiters der Abwehr des Berliner Bezirks, Oberst Erwin Stolz (vom 29. Mai 1945), in dem er sagte:
„(…) nach Beendigung des Krieges gegen Polen, bereitete sich Deutschland verstärkt auf den Kriege gegen die Sowjetunion vor und deshalb wurden bei der Abwehr Maßnahmen zur Aktivierung der subversiven Tätigkeit ergriffen. Zu diesem Zweck wurde der bekannte ukrainische Nationalist Bandera Stepan angeworben, der während des Krieges aus dem Gefängnis befreit wurde, wohin er von den polnischen Behörden wegen seiner Teilnahme an dem Terrorakt gegen Führer der polnischen Regierung gebracht worden war. Ich war der Letzte, der mit ihm Verbindung hatte.“
Drei Monate vor dem Überfall der Wehrmacht auf die UdSSR gründete Stepan Bandera aus den Mitgliedern OUN eine ukrainische Legion, die später in die Abteilung „Brandenburg-800“ einging und sich „Nachtigall“ nannte, nach dem ukrainischen „соловейка“. Das Regiment erfüllte spezielle Aufträge zur militärischen Diversion im Hinterland der Truppen der UdSSR.
Jedoch hatte Stepan Bandera nicht nur mit den Nazis, sondern auch mit den durch sie bevollmächtigten Personen Kontakt. So sind beispielsweise in den Archiven der Geheimdienste Dokumente darüber erhalten geblieben, dass die Bandera-Leute den Nazis auch selbst ihre Dienste anboten. Im Protokoll des Verhörs des Mitarbeiters der Abwehr J.D.Lasarek wird gesagt, dass er Zeuge und Teilnehmer der Verhandlungen zwischen dem Vertreter der Abwehr Eikern und dem Mitarbeiter Banderas, Nikolaj Lebed, war:
„Lebed erklärte, dass die Banderaleute die notwendigen Kader für die Diversanten Ausbildung geben werden, und auch einverstanden sind damit, das ganze Gebiet Galiziens und Wolhynien für Diversions- und Aufklärungsziele auf dem Gebiet der UdSSR zu nutzen.“
Für die Vorbereitung von Aufständen auf dem Gebiet der UdSSR, ebenso wie für die Aufklärung erhielt Stepan Bandera von Nazideutschland 2.500.000 Mark.
Auf die Organisation der Ukrainischen Nationalisten setzten die Deutschen in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges große Hoffnungen, doch erlaubte sich Stepan Bandera auch Freiheiten. Ihm wurde auf keine Weise gegönnt, sich als Oberhaupt eines unabhängigen ukrainischen Staates zu fühlen, doch er rief, das Vertrauen seiner Herren aus Nazideutschland missbrauchend, die „Unabhängigkeit“ des Ukrainischen Staates aus. Doch Hitler hatte seine eigenen Pläne. Ihn interessierte der Lebensraum, d.h. die Gebiete und die billigen Arbeitskräfte der Ukraine.
Der Trick mit der Ausrufung der Staatlichkeit war nötig, um der Bevölkerung seine Bedeutung zu zeigen. Am 30. Juni 1941 erklärte Stepan Bandera in Lwow die „Wiedergeburt“ des Ukrainischen Staates. Die Einwohner der Stadt reagierten zurückhaltend auf diese Mitteilung. Nach den Worten des Lwower Priesters, des Doktors der Theologie, Pater G. Kotelnik, waren zu diesen feierlichen Auflauf lediglich ein paar hundert Menschen aus der Intelligenz und der Geistlichkeit auf den Platz gejagt worden. Die Einwohner hatten beschlossen, nicht auf die Straße zu gehen, und die Verkündigung des Ukrainischen Staates nicht zu unterstützen.
Die Deutschen hatten, wie gesagt, hinsichtlich der Ukraine ihre eigenen Interessen, und von einer Wiedergeburt und ihrer Überlassung als Staat konnte selbst unter Herrschaft der Nazis keine Rede sein. Die Macht an die ukrainischen Nationalisten nur dafür abzugeben, auf einem Gebiet, das durch die regulären deutschen Militärformationen besetzt worden war, dass sie auch am Kampf teilnahmen und hauptsächlich die Drecksarbeit als Angehörige eines Strafkommandos und der Polizei gegen die friedliche Bevölkerung erfüllten, wäre von Seiten Deutschlands aus unsinnig gewesen. Dennoch stand Bandera den Faschisten ergeben zu Diensten. Davon zeugt auch den Text des Aktes der „Wiedergeburt des Ukrainischen Staates“ vom 30. Juni 1941:
„Der wiedergeborene Ukrainische Staat wird mit dem nationalsozialistischen Großdeutschland, das unter Leitung des Führers Adolf Hitler die neue Ordnung in Europa und der Welt schafft und dem ukrainischen Volk hilft, von der Moskauer Okkupation befreit zu werden, eng zusammenwirken. Die Ukrainische Nationale Revolutionäre Armee, die auf ukrainischem Boden entsteht, wird auch weiterhin gemeinsam mit der VERBÜNDETEN DEUTSCHEN ARMEE gegen die Moskauer Okkupation um die Souveräne Ukrainische Kathedrale Macht und die neue Ordnung in der ganzen Welt kämpfen.“ Eine solche Äußerung kommen einem durchaus bekannt vor, wenn zum Beispiel eine Ursula von der Leyen davon redet, dass die Ukraine für ,,unsere Westlichen Werte gegen die russischen Okkupanten kämpft."
Unter ukrainischen Nationalisten und vielen Beamten, die heute an der Spitze der Ukraine stehen, gilt der Akt vom 30. Juni 1941 als Tag der Unabhängigkeit der Ukraine, und Stepan Bandera, Roman Schuchewitsch und Jarosław Stećko als Helden der Ukraine. Aber was sind das für Helden, und wodurch unterschieden sich deren Methoden von denen Hitlers? Durch nichts...
Zum Beispiel haben die Anhänger Banderas nach der Verkündigung des Aktes über die Unabhängigkeit in Lwow ein Massaker veranstaltet. Die ukrainischen Nazis hatten noch vor dem Krieg „Schwarze Listen“ aufgestellt, und im Endeffekt wurden innerhalb von 6 Tagen in der Stadt 7.000 Menschen ermordet. Über das in Lwow von den Bandera-Leuten veranstaltete Massaker schrieb Saul Friedman in dem in New York erschienenen Buch „Die Anstifter des Progroms“:
„Innerhalb der ersten drei Tage des Juli 1941 ermordete hat das ‚Bataillon Nachtigall’ in der Umgebung von Lwows 7.000 Juden. Die Juden waren Professoren, Juristen, Ärzte. Sie wurden vor ihrem Tod gezwungen, alle Treppen vierstöckiger Gebäude abzulecken und den Müll mit dem Mund von einem Gebäude zum anderen zu tragen. Später zwang man sie dazu, mit gelb-blauen Armbinden durch die Reihen der Banditen zu gehen, wo sie sie mit Bajonetten erstochen wurden.“
Stepan Bandera war einer der Hauptinitiatoren der am 14. Oktober 1942 gebildeten „Ukrainischen Aufständischen Armee“ (UPA), und er war bestrebt, ihren Kommandeur Dmitrij Kljatschkiwski durch seinen Schützling Roman Schuchewitsch zu ersetzen.
Ja, und man muss hinzufügen, dass Bandera und noch eine Reihe anderer OUN-Leute einige Zeit praktisch unter Haftbedingungen im KZ „Sachsenhausen“ zubrachten, und daß er bis dahin in einem Wochenendhaus des faschistischen Geheimdienstes „Abwehr“ lebte. Die Deutschen taten das unter der weitgehenden Zielstellung, Bendera später für die illegale Arbeit in der Ukraine verwenden zu können. Auf diese Weise versuchten sie, ihm das Image eines Gegners von Deutschlands zu verschaffen. Andererseits befürchteten sie, daß man ihn für das in Lwow veranstaltete Massaker einfach beseitigen würde.
Die Tatsache des Aufenthalts von Bandera in einem deutschen KZ versuchen die ukrainischen Nationalisten, jetzt für eine Abrechnung der Nazis gegenüber ihm, einem Kämpfer gegen die Besatzer der Ukraine, auszugeben. Aber – so ist das nicht. Als die Bandera-Leute aus dem KZ entlassen wurden, wechselten sie frei ihren Aufenthalt, erhielten Lebensmittel und Geld. Bandera selbst besuchte die Schule für Agenten- und Diversionskader der OUN, die sich unweit vom Lager befand. Ausbilder an dieser Schule war der damalige Offizier des Spezial-Bataillons „Nachtigall“, Juri Lopatinski, durch den Bandera die Verbindung zur OUN-UPA erhielt, die auf dem Gebiet der Ukraine agiert hatte.
1944 säuberten die sowjetischen Truppen die westliche Ukraine von den Faschisten. Da sie eine Bestrafung befürchteten, flüchteten viele Mitglieder der OUN-UPA zusammen mit den deutschen Truppen. Zudem war der Haß der Einwohner gegen die OUN-UPA in Wolhynien und Galizien so groß, daß sie sie selbst auslieferten oder erschlugen. Bevor Stepan Bandera aus dem KZ entlassen wurde, reihte er sich ein in die Arbeit der 202. Abteilung der Abwehr in Krakau und begann, eine Diversionsabteilung der OUN-UPA aufzustellen.
Als unwiderleglicher Beweis dafür dienen die Aussagen des ehemaligen Gestapo-Mitarbeiters, Leutnant Siegfried Müller, der am 19. September 1945 zur Spionage in der UdSSR vorbereitet wurde.
„Am 27. Dezember 1944 habe ich eine Gruppe von Diversanten auf ihre Absetzung im Hinterland der Roten Armee mit den speziellen Aufgaben vorbereitet. Stepan Bandera instruierte während meiner Anwesenheit diese Agenten persönlich und übergab durch sie dem Stab der UPA den Befehl zur Aktivierung der Sprengarbeit im Hinterland der Roten Armee und richtete eine regelmäßige Funkverbindung mit dem ‚Abwehrkomando-202‘ ein.“
Als der Krieg sich Berlin näherte, wurde Bandera die Aufgabe übertragen, aus den Resten der ukrainischen Nazis Abteilungen zu bilden, um Berlin zu verteidigen. Den Abteilungen Banderas und ihm selbst gelang es jedoch, zu entkommen. Nach Kriegsende lebte er in München, arbeitete mit dem britischen Geheimdienst zusammen. Bei der Konferenz der OUN 1947 wurde er Vorsitzenden der Leitung der Gesamtorganisation der OUN gewählt. Am 15. Oktober 1959 wurde Stepan Bendera im Eingang seines Hauses getötet. Es fand eine gerechte Vergeltung statt.
Im Laufe des Großen Vaterländischen Krieges waren durch die Organisation der Ukrainischen Nationalisten und die Ukrainische Aufständische Armee Hunderttausende Menschen verschiedener Nationalitäten gefoltert und ermordet worden. Die Welt weiß und erinnert sich die ungeheurere Erschießung einiger Tausend Juden in Chatyn durch die Nazis. Die Tatsache ist unbestreitbar, aber man sollte noch über ein sehr wichtiges Moment berichten. Wer waren die unmittelbar Ausführenden? Es gibt die Version, dass es dieselben ukrainischen Nationalisten waren, die auch die Komplizen Stepan Banderas waren. Die Hitlerfaschisten führten die Drecksarbeit nur ungern selber aus, oft beauftragten sie ihre Lakaien damit. Dass Bandera und die OUN für die Deutschen nur nützliche Idioten waren, zeigt sich übrigens am besten durch Banderas Decknamen ,,Popel".
Während man in der Ukraine aber auch im Westen von alldem nichts wissen möchte, ist man in Russland und anderen Ex-Sowjetrepubliken deutlich geschichtsbewusster. In der Sowjetunion waren die Verbrechen der Nazi-Kollaborateure bekannt. Als Abteilungsleiter beim Generalstaatsanwalt der UdSSR gehörte Iljuchin zu den Ermittlern der Verbrechen der Wehrmacht in der Ukraine. Nach 1945 gab es eine Vielzahl von Strafprozessen, in denen Nazi- und Kriegsverbrecher verurteilt worden waren. Doch bei weitem nicht alle wurden gefasst. Einigen gelang es, sich mit dem Rückzug der Wehrmacht nach dem Westen abzusetzen. Sie fanden in der BRD, in den USA und in einigen südamerikanischen Ländern Unterschlupf. So auch Bandera, der bis 1959 unbehelligt in München lebte und nach dessen Tod sogar ein pompöses Grab erhielt.
Der russische Kommunist Prof. Iluchin schrieb bereits vor einigen Jahren eine ausführliche Analyse zum Bandera-Kult in der Ukraine. So schrieb er bereits 2009:
,,Der alljährliche Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine ist nichts anderes, als ein Versuch der ukrainischen Führung, unseren russischen Staat nicht nur vor dem Westen, sondern auch von seinen Bürgern zu diskreditieren. Die antirussische Politik auf dem Weg zur Unabhängigkeit gehört schon beinahe zum Wesen bei unserem slawischen Nachbarn. Wir stellen fest, wie in Schulen und staatlichen Institutionen die Verwendung des Russischen verboten wird, der Stützpunkt der russischen Kriegsflotte soll aus Sewastopol verdrängt werden, die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte werden immer weniger. Die Veteranen der Sowjetischen Armee werden unterdrückt und die Denkmäler für die Soldaten und Befreier des ukrainischen Volkes von den faschistischen Eroberern werden zerstört.
Gleichzeitig wird in der Ukraine eine Politik der Verehrung militanter Nationalisten aufgezogen, derjenigen nämlich, die einst reichlich das Blut ihrer eigenen Landsleute vergossen hatten, die die Sowjetmacht unterstützten, und damit auch jener Menschen, die der werktätigen Bevölkerung der westlichen Ukraine die Freiheit von Ausbeutung durch die Bourgeoisie der Pans gebracht hatten. Unter dem Druck der Führung des Landes und insbesondere durch den damaligen Präsidenten Juschtschenko wurde Stepan Bandera, dessen Porträt man jetzt in jeder allgemeinbildenden Schule sehen kann, nach dem Straßen benannt wurden, und dessen erneuerte Biografie von den Studenten an den Hochschulen studiert wird, zum Symbol ihres nationalen Patriotismus."
Gegen solch eine zynische nationale Politik treten Hunderttausende Ukrainer auf. Von den staatlichen Massenmedien nicht zugelassen, bemühen sie sich, ihren eigenen Landsleuten und der Bevölkerung anderer Ländern die Wahrheit über jene Verbrecher zu vermitteln. Iluchin berichtet, dass er Dutzende Briefe aus der Ukraine erhalten habe, die über die Repressalien berichten, mit denen der Staatsapparat gegen diejenigen vorgeht, die damit nicht einverstanden sind, wie die historische Wahrheit entstellt wird, wie man erneut die blutigen Biografien dieser Verbrecher verändert. In einem ausführlichen Schreiben, das er von I. Tscherkaschtschenko, einem ukrainischen Patrioten, erhielt, sind beunruhigende Informationen über Fackelumzüge enthalten, die aus Anlass des Geburtstags von Stepan Bandera nun wieder in der Ukraine durchgeführt werden. Das alles erinnere an das nazistischen Deutschland, als die Faschisten solche Aufmärsche in den Straßen Berlins oder Nürnbergs durchführten.
Als Iljuchin noch Abteilungsleiter beim Generalstaatsanwalt der Sowjetunion für die Kontrolle der Einhaltung der Gesetze über die Staatssicherheit war, nahm er an der Untersuchung der Verbrechen der faschistischen Wehrmacht in der Ukraine, in Weißrussland und anderen Gebieten teil. Durch die Hände und ins Bewusstsein der Ermittler gelangten viele Dokumente und Zeugenaussagen über ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter auch die des Stepan Bandera. Heute werden die historischen Tatsachen verzerrt, ihnen wird eine neue Interpretation verpasst, und die faschistoiden Henker werden, wie gesagt, in den Rang von Helden erhoben.
Als ich dachte diesen Artikel fertig geschrieben zu haben, machten mir zwei Ereignisse einen Strich durch die Rechnung. Doch fangen wir von vorne an. Was ist passiert?
Ottawa, Kanada 25. September 2023. Wladimir Selensky, Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Abgeordnete des kanadischen Parlaments haben im Rahmen eines Besuchs des ukrainischen Präsidenten in Ottawa am Freitag einen ehemaligen SS-Angehörigen geehrt. Jaroslaw Hunka sei ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, welcher ,,für die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen kämpfte und heute weiterhin die Truppen unterstützt", sagte der Sprecher des kanadischen Parlaments. ,,Er ist ein ukrainischer Held, ein kanadischer Held, und wir danken ihm für seinen Wehrdienst." Der heute 98-jährige Hunka, der aus Bereschany bei Ternopol stammt, war 1943 als Freiwilliger in die für Massenmorde an Juden und Polen sowie andere schwere Kriegsverbrechen verantwortliche bereits oben erwähnte Waffen-SS-Division ,,Galizien" eingetreten und hatte sich nach der Niederlage Hitlerdeutschlands nach Kanada abgesetzt.
Zunächst wurde versucht diesen Fauxpas unter den Tisch zu kehren. Mit der Zeit ließ sich dieser Skandal jedoch nicht mehr verschweigen und der kanadische Premierminister sah sich genötigt eine Stellungnahme abzugeben:
,,Offensichtlich ist es extrem verstörend, dass das passiert ist. Das ist etwas, das für das Parlament von Kanada zutiefst peinlich ist... Es wird wirklich wichtig sein, dass wir uns alle gegen die russische Propaganda und die russische Desinformation zu stellen und unsere standhafte und unmissverständliche Unterstützung für die Ukraine fortsetzen"
Was russische Propaganda damit zu tun hat, dass Trudeau und das gesamte kanadische Parlament einen Nazi ehrt – weiß vielleicht nicht einmal Trudeau selbst.
Auch in der Bundesregierung tut man sich schwer faschistische und rechtsextreme Elemente zu erkennen, benennen und zu verurteilen.
Sie hat eine Kleine Anfrage mit dem Titel ,,Rechtsextreme Ausprägungen der ukrainischen Geschichtspolitik" der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke) mit einem großen Nichts beantwortet.
Fast alle der insgesamt 25 Fragen, wurden vom Auswärtigen Amt mit der Floskel ,,Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen, über Medienberichte hinausgehenden Erkenntnisse vor" abgebügelt. Man mache sich die ,,rechtlichen Wertungen und Tatsachenbehauptungen" der Fragesteller, die sich vorwiegend auf die OUN und den Banderismus beziehen, ,,insbesondere hinsichtlich der pauschalen Einordnung bestimmter (historischer) Gruppierungen oder Personen als rechtsextrem, antisemitisch, antiziganistisch oder sonst rassistisch, ausdrücklich nicht zu eigen", heißt es in der Vorbemerkung der Bundesregierung – eine Aussage, auf die sie in ihren weiteren "Antworten" siebenmal verweist.
Damit widerspricht die deutsche Regierung objektiv der weltweit anerkannten Historiographie des ukrainischen Faschismus und dessen Kollaboration mit dem Dritten Reich. ,,Die OUN kämpfte nicht einfach nur für eine unabhängige Staatlichkeit. Sie kämpfte für das, was sie eine ›Ukraine für die Ukrainer‹ nannte, in der Juden und die meisten Polen und Russen eliminiert" würden, schreibt etwa der US-amerikanisch-kanadische Historiker John-Paul Himka, einer der renommiertesten Experten der Geschichte der OUN und ihrer Rolle in der Schoah und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.
,,Das faktische Bestreiten wissenschaftlicher Erkenntnisse der internationalen Holocaustforschung durch vorgebliches Nichtwissen" reihe sich ein in Vorfälle wie ,,die unsägliche Ehrung des SS-Manns Jaroslaw Hunka im Parlament des NATO-Mitglieds Kanada als ›ukrainischer Held‹", kommentierte Sevim Dagdelen das Verhalten der Bundesregierung gegenüber der ,,junge Welt".
Weiter meint Dagdelen: ,,Es ist ein geschichtspolitischer Super-GAU, wie die Ampel hier den seit 1945 bestehenden Konsens aufbricht". Dass die deutsche Regierung nicht einmal der in der Anfrage der Linksfraktion enthaltenen Aussage zur fortschreitenden Rehabilitierung Stepan Banderas und anderer ukrainischer Faschisten – ,,eine positive Sichtweise auf historische Organisationen und Persönlichkeiten, die sich mitschuldig am Holocaust und an NS-Verbrechen gemacht haben, kann in keiner Weise hingenommen werden" – zugestimmt hat, untermauert diesen Vorwurf. Ebenso die unappetitliche Tatsache, dass Annalena Baerbocks Ministerium vor einigen Monaten Vertreter des in der Tradition der OUN stehenden ,,Asow"-Bataillons empfangen hat. Dagdelen warnt vor brandgefährlichen Folgen: ,,Wer wie das von den Grünen geführte Außenministerium die Nazikollaborateure der Ukraine aus bloßem antirussischen Reflex weißzuwaschen versucht, hat wirklich jeden politischen Kompass verloren und rollt den Rechtsextremisten den roten Teppich aus."
von ASKL