Ich finde ja nach wie vor, dass der Titel "Kulturhauptstadt 2025" für Chemnitz eine einzige Farce ist (und ich habe meine eigenen Gründe dafür), aber ich schaue mir den Spaß trotzdem an und es gibt jetzt einen Thread von mir zum Thema, weil heute die Eröffnung stattfindet.
1. Chemnitz hat viele Kulturen. zB eine Jahrzehnte alte HipHop Kultur, bestehend aus DJ'ing/Rap, Breakdance und Graffiti. Heute habe ich sehr wenig von alldem gesehen.
Es ist ohnehin wichtiger, mit importierten Künstlern zu prahlen, als eigene zu präsentieren. Lametta drauf & so.
2. Der Titel lautet "Kulturhauptstadt". Nicht "Politikveranstaltung".
Also auch wenn ich den Auftritt von Steinmeier irgendwie vertretbar finde, so hätte er trotzdem nicht sein müssen. Denn das Ergebnis ist: eine Demo und eine Gegendemo und eine Gegendemo für die Gegendemo. Ich habe heute mehr Polizei-Autos als zivile und ÖPNV-Fahrzeuge gesehen. Es wäre mega cool gewesen, wenn es einmal nicht um Politik gegangen wäre. Einmal nicht um Wahlkampf. Einmal nicht um das, was uns trennt. Sondern nur ums Zusammensein und feiern. Geht aber anscheinend nicht.
3. Das Motto ist "C the Unseen". Und ich könnte jetzt verbal ausufern in der Debatte darum, wie viel zu eng und vetternwirtschaftlich dieser Kreis der Kulturhauptstadt-Organisatoren ist, aber das mache ich nicht. Vllt später. Stattdessen nehme ich das Motto wörtlich. Denn vor 30 min saß ich mit einer obdachlosen Roma-Frau in der Straßenbahn, die sich mit mir nur über Schrift & Gebärdensprache verständigen konnte. Ohne Papiere. Ohne Heim. Ohne Perspektive. C the Unseen? Da habt ihr das Ungesehene. Das juckt aber keinen. Weil Chemnitz heute und auch sonst lieber schön sein möchte. Seine Probleme verschweigen möchte. Nach 2018 sein eigenes Bild so sehr übermalen möchte, dass es dabei sich selbst komplett vergisst. Wir waren vorher nicht scheiße. Ihr habt uns bloß vorher überhaupt nicht gesehen.
Wir waren schon immer vielfältig. Mit einer bunten Musikszene und den verschiedensten Menschen. Früher noch viel mehr als heute. Und wir kamen irgendwie miteinander klar. F*CK, ich bin in einem Viertel aufgewachsen, in dem sich Russen und Faschos um die Vorherrschaft geprügelt haben. Und dazwischen war ich: ein Punk-Mädel mit kariertem Minirock und Springerstiefeln. Hat trotzdem funktioniert. Egal, zurück zum Thema: Die ganze Veranstaltung heute empfinde ich als seelenlos und gekauft. Ein bisschen musikalisches Lalala gepaart mit Luftballons, Basteln, politischem Speichellecken (danke, Frank-Walter und jetzt verp*ss dich) ... und einer Band, die das Wort "Salzstreuer" gendert. Jo, das haben wir echt gebraucht.
Jetzt wird alles besser.
von NIKITA
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